Die Folgen des Brexits für die Wirtschaft
Der Brexit ist bisher für den 29. März 2019 geplant. Die zweijährige Frist hat begonnen. Nach diesen 24 Monaten ist Großbritannien kein Mitglied der EU mehr und hat schlussfolgernd nur noch den Status eines Drittstaates. Nach Ansicht der EU ist Großbritannien als EU-Mitglied aber Verpflichtungen eingegangen, für die sie auch nach ihrem Austritt einstehen müssen. Marcus Theurer berichtet seit 2009 für die Frankfurter Allgemeine Zeitung als London-Korrespondent über Großbritannien und Irland. Der Diplom-Volkswirt ist seit 2000 Mitglied der Wirtschaftsredaktion der F.A.Z. Bei der Veranstaltung "Die Folgen des Brexits für die Wirtschaft" gemeinsam mit unserem Kooperationspartner MEKOM Regionalmanagement Osterode am Harz e.V. gibt er eine Einschätzung zum Brexit.
Wie sollte Ihrer Ansicht nach die Europäische Union in die Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich gehen - mit klaren roten Linien oder eher kompromissbereit?
Beides. Wenn nicht beide Seiten bereit sind, Kompromisse zu machen, drohen die Austrittsverhandlungen zu scheitern. Der politische und wirtschaftliche Schaden für Europa insgesamt wäre vermutlich groß. Andererseits jedoch sollte die EU darauf achten, dass der EU-Binnenmarkt durch den Brexit nicht beschädigt wird. Der Binnenmarkt ist die größte Errungenschaft der EU und die wohl wichtigste Klammer für ihren politischen Zusammenhalt. Für die Briten sollten deshalb nach dem Brexit dieselben Regeln gelten wie für andere europäische Staaten: Nur wer sich an die Regeln des Binnenmarkts hält, sollte auch seine vollen Vorzüge genießen können. Die Krise der Europäischen Währungsunion hat gezeigt, welche schädlichen Folgen es haben kann, wenn vereinbarte Regeln später gebeugt werden.
Wo werden Ihrer Meinung nach die größten Konfliktpunkte in den anstehenden Verhandlungen zwischen London und Brüssel liegen?
Konfliktträchtig ist die Frage, ob und welche finanziellen Verpflichtungen die Briten vor dem Austritt noch gegenüber der EU zu erfüllen haben. Auch die Frage der künftigen Handelsbeziehungen und die damit eng verknüpfte Frage, inwiefern Großbritannien nach dem Brexit die Zuwanderung von EU-Bürgern beschränkt, ist brisant.Wenn Artikel 50 einmal ausgelöst ist, haben Großbritannien und die EU genau zwei Jahre, also bis März 2019 Zeit um in den gemeinsamen Austrittsverhandlungen die Details des britischen Exits zu vereinbaren. EU-Chefunterhändler Michel Barnier möchte erst nach Abschluss dieser Verhandlungen, in Beratungen über die Gestaltung der zukünftigen Beziehungen zu Großbritannien einsteigen. Viele Unternehmen schauen hier mit Sorge auf mögliche Handelsbarrieren, sollte sich eine anschließende Neuregelung der Wirtschaftsbeziehungen mit London in die Länge ziehen. Großbritannien würde beide Sachverhalte, Austrittsbedingungen und künftige Beziehungen, gern parallel verhandeln.
Wie ist Ihre Einschätzung, ist es aus europäischer Sicht vorteilhafter die beiden Verhandlungen nacheinander zu führen? Und wenn ja, warum bzw. warum nicht?
Die vorgesehene Verhandlungsfrist von zwei Jahren ist sehr kurz. Die EU sollte deshalb nicht aus verhandlungstaktischen Gründen darauf beharren, zuerst nur über die Austrittskonditionen reden zu wollen. Im eigenen wirtschaftlichen Interesse sollte vielmehr mit den komplexen und vermutlich langwierigen Verhandlungen über die künftigen Handelsbeziehungen sofort begonnen werden. Das hinderte die EU ja nicht daran, dem Entwurf einer Handelsvereinbarung erst dann verbindlich zuzustimmen, wenn auch die Austrittsfragen geklärt sind.